COMPLETE Norwegische Volksmährchen von Asbjørnsen und Moe -ck

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Carolin
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29.

Aase, das kleine Gänsemädchen.


Es war einmal ein König, der hatte so viele Gänse, daß er eigens eine Dirn halten mußte, sie zu hüten; diese Dirn hieß Aase, und darum nannten die Leute sie Aase, das Gänsemädchen. Nun traf es sich, daß der Königssohn von England aufs Freien ausreis'te, dem setzte Aase sich in den Weg. »Was sitzest Du da, Du kleine Aase?« sagte der Königssohn. »Ich sitze hier und flicke das Zeug und setze Lappen auf Lappen,« sagte Aase: »denn ich warte auf den Königssohn von England.« — »Den kannst Du nicht bekommen,« sagte der Prinz. »Wenn ich ihn haben soll, dann werd' ich ihn wohl kriegen,« sagte die kleine Aase. — Es wurden nun Maler ausgesandt nach allen Ländern und Reichen, die sollten die schönsten Prinzessinnen abmalen, und dann wollte der Königssohn sich eine zur Gemahlinn aussuchen. Eine von ihnen gefiel ihm auch so gut, daß er sogleich zu ihr reis'te und um sie frei'te; sie sagte auch Ja und ward seine Braut, und darüber war der Prinz außerordentlich vergnügt. Nun hatte aber der Prinz einen Stein, und wenn er den vor sein Bett hinlegte, sagte der ihm Alles, worüber er ihn befragte. Als daher die Prinzessinn angereis't kam, sagte Aase, das Gänsemädchen, zu ihr, wenn sie schon früher einen Liebsten gehabt hätte, oder sich wegen einer gewissen Sache, wovon der Prinz Nichts wissen solle, etwa nicht frei fühle, so müsse sie sich in Acht nehmen, daß sie nicht über den Stein trete, den der Prinz vor sein Bett hingelegt hätte, denn der sage ihm Alles. Als die Prinzessinn das hörte, ward sie sehr angst und bat die kleine Aase, daß sie sich am Abend an ihrer Stelle zu dem Prinzen ins Bett legen möchte, und wenn er dann eingeschlafen sei, wollten sie wieder umtauschen, so daß er am Morgen, wenn es hell würde, die Rechte bei sich hätte. Das thaten sie denn auch. Als Aase, das Gänsemädchen, über den Stein trat, fragte der Prinz: »Wer ist es, der in mein Bett steigt?« — »Reine und keusche Jungfrau,« sagte der Stein, und darauf legten sie sich schlafen. In der Nacht aber kam die Prinzessinn und legte sich an Aase's Stelle. Als sie aber am andern Morgen aufstanden, fragte der Prinz den Stein wieder: »Wer ist es, der aus meinem Bett steigt?« — »Eine, die schon drei Kinder gehabt hat,« sagte der Stein. Wie der Prinz das hörte, wollte er sie nicht haben, sondern schickte sie wieder nach Hause und nahm sich eine andre Braut.

Als er nun die neue Braut besuchen wollte, hatte Aase, das kleine Gänsemädchen, sich wieder vor ihm in den Weg hingesetzt. »Was sitzest Du hier, Du kleine Aase?« sagte der Prinz. »Ich sitze hier und flicke das Zeug und setze Lappen auf Lappen, denn ich warte auf den Königssohn von England,« sagte Aase. »Den kannst Du nicht bekommen,« sagte der Königssohn. »Wenn ich ihn haben soll, dann werd' ich ihn wohl kriegen,« sagte Aase.

Mit dieser Prinzessinn ging es nun eben so, wie mit der vorigen, nur mit dem Unterschied, daß der Stein, als sie am Morgen aufstand, sagte, sie hätte schon sechs Kinder gehabt. Nun wollte der Prinz auch sie nicht haben, sondern jagte sie wieder aus dem Hause; aber einmal, meinte er, wollt' er's noch versuchen, ob er nicht Eine finden könne, die noch eine reine und keusche Jungfrau sei. Er reis'te nun weit umher durch viele Länder, bis er endlich Eine fand, die er leiden mochte. Als er sie darauf einmal besuchte, hatte Aase, das Gänsemädchen, sich wieder in den Weg hingesetzt. »Was sitzest Du hier, Du kleine Aase?« fragte der Prinz. »Ich sitze hier und flicke das Zeug und setze Lappen auf Lappen, denn ich warte auf den Königssohn von England,« sagte Aase. »Den kannst Du nicht bekommen,« sagte der Prinz. »Wenn ich ihn haben soll, dann werd' ich ihn wohl kriegen,« versetzte die kleine Aase.

Als die Prinzessinn ankam, sagte Aase, das Gänsemädchen, zu ihr eben so, wie zu den beiden ersten, wenn sie schon einen Liebsten gehabt hätte, oder sonst Etwas im Wege wäre, das der Prinz nicht wissen solle, so müsse sie nicht über den Stein treten, den der Prinz vor sein Bett hingelegt hätte, denn der sage ihm Alles. Wie die Prinzessinn das hörte, ward sie sehr ängstlich; aber sie war eben so verschlagen, wie die beiden andern, und bat Aase, daß sie sich am Abend an ihrer Stelle zu dem Prinzen ins Bett legen möchte, und wenn er eingeschlafen sei, wollten sie wieder umtauschen, so daß er am Morgen, wenn's hell würde, die Rechte bei sich hätte. Das thaten sie denn auch. Als Aase, das Gänsemädchen, über den Stein trat, fragte der Prinz wieder: »Wer ist es, der in mein Bett steigt?« — »Reine und keusche Jungfrau,» sagte der Stein, und darauf legten sie sich schlafen. In der Nacht aber steckte der Prinz einen Ring an Aase's Finger, der war aber so drange, daß sie ihn nicht wieder abkriegen konnte; denn der Prinz hatte nachgerade wohl gemerkt, daß es nicht ganz richtig zuging, und darum wollt' er ein Zeichen haben, woran er die Rechte wieder erkennen könnte. Als der Prinz eingeschlafen war, kam die Prinzessinn und jagte Aase in den Gänsestall und legte sich selbst an ihre Stelle ins Bett. Wie sie nun am Morgen aufstanden, und der Prinz fragte: »Wer ist es, der aus meinem Bett steigt?« sagte der Stein wieder: »Eine, die schon drei Kinder gehabt hat;« und als der Prinz das hörte, ward er so böse, daß er sie augenblicklich aus dem Hause jagte. Darauf fragte er den Stein, wie es denn mit diesen drei Prinzessinnen zusammenhinge, die über ihn gestiegen wären. Da erzählte ihm der Stein, wie die Sache sich verhielt, und daß die Prinzessinnen ihn betrogen und Aase, das kleine Gänsemädchen, an ihre Stelle gelegt hätten. Das wollte der Prinz erst nicht glauben und ging daher aufs Feld, wo Aase saß und die Gänse hütete; denn er wollte sehen, ob sie wohl den Ring hätte. »Hat sie den, so ist es wohl am besten, daß ich sie zur Gemahlinn nehme,« dachte er. Als er nun zu ihr auf's Feld kam, sah er, daß sie einen Lappen um ihren Finger gebunden hatte. Er fragte sie, warum sie das gethan hätte. »Ach,« sagte sie: »ich habe mich so arg geschnitten.« Der Prinz wollte nun durchaus den Finger sehen; aber Aase wollte den Lappen nicht abnehmen. Da ergriff er ihren Finger und hielt ihn fest, und wie Aase ihn zurückziehen wollte, ging der Lappen ab, und nun erkannte der Prinz sogleich seinen Ring. Da nahm er sie mit sich auf's Schloß und gab ihr viele schöne Kleider und herrlichen Schmuck; und darauf hielten sie Hochzeit. So bekam nun Aase, das kleine Gänsemädchen, den Königssohn von England, bloß weil es so bestimmt war, daß sie ihn haben sollte.
Carolin
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30.

Der Bursch und der Teufel.


Es war einmal ein Bursch, der ging auf einem Wege und knackte Nüsse; da fand er eine, die war wurmstichig, und im selben Augenblick begegnete ihm der Teufel. »Ist es wahr,« sagte der Bursch: »was man sagt, daß der Teufel sich so klein machen kann, als er will, und sich durch ein Nadelöhr zwängen?« — »Ja,« antwortete der Teufel. »Oh! laß mich einmal sehen und kriech in diese Nuß!« sagte der Bursch wieder; und das that der Teufel. Als er durch das Loch gekrochen war, schlug der Bursch einen Pflock hinein. »Nun hab' ich Dich!« sagte er und steckte die Nuß in die Tasche. Wie er nun ein Ende gegangen war, kam er zu einer Schmiede, da ging er hinein und bat den Schmied, er möchte ihm doch die Nuß entzwei schlagen. »Ja, das soll leicht gethan sein,« antwortete der Schmied und nahm seinen kleinsten Hammer, legte die Nuß auf den Amboß und schlug zu; aber sie wollte nicht entzwei. Da nahm er einen etwas größeren Hammer, aber der war auch noch nicht schwer genug; er nahm nun einen noch größeren, aber der that's auch noch nicht. Da wurde der Schmied verdrießlich und nahm den großen Hammer: »Ich werde dich gleichwohl entzwei kriegen,« sagte er und schlug zu, all was er konnte. Da zerplatzte die Nuß, daß das ganze Schmiededach abflog, und es krachte, als ob die Hütte umstürzen wollte. »Ich glaube, der Teufel war in der Nuß!« sagte der Schmied. »Ja, er war drin,« sagte der Bursch.
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Nachwort des Übersetzers

Die von P. Asbjörnsen und Jörgen Moe gesammelten norwegischen Volksmährchen, welche hier dem Publicum in zwei Bänden vorliegen, erschienen in der Originalsprache in einzeln Heften, wovon das 4te (das letzte bis jetzt erschienene Heft) als »des zweiten Bandes erstes Heft« bezeichnet ist; die Sammlung ist also noch nicht als abgeschlossen anzusehen, ungeachtet seit dem Erscheinen des letzten Heftes bereits drei Jahre verflossen sind, wogegen die drei ersten Hefte im Verlauf eines einzigen Jahrs erschienen. Möge es den geehrten Herausgebern dieser Mährchen nicht an Aufmunterung fehlen, ihre schätzenswerthe Sammlung fortzusetzen, in der das nordische Element so frisch und kräftig bewahrt, und der Volkston so gut gehalten ist, so daß diese Sammlung sich, nach dem Urtheile gründlicher Kritiker, als eine der würdigsten an die der Brüder Grimm anschließt.

Daß alle diese Mährchen aus dem Munde des norwegischen Volkes selbst gesammelt, und nicht etwa neuere Dichtungen sind, bemerkt ausdrücklich einer der Herausgeber, der Herr P. Asbjörnsen, in der Einleitung zu seinen »Huldre-Eventyr,« eine Sammlung norwegischer Volksmährchen, worin die neckischen Huldregeister, wie in den vorliegenden die ungeschlachten Trollen, die wichtigste Rolle spielen, welche Mährchen jedoch im Ganzen mehr den Charakter örtlicher Sagen an sich tragen. Sobald diese Sammlung zu einem Bändchen herangewachsen ist, werden wir nicht unterlassen, auch diese dem deutschen Publicum mitzutheilen.

Was die Übersetzung der vorliegenden Mährchen betrifft, so habe ich mich, so weit es der Genius der Sprache nur erlaubte, genau an den Originaltext gehalten. Einzelne unbedeutende Abänderungen wurden jedoch nothwendig, wenn ich nicht zu schleppenden und allzu ermüdenden Umschreibungen meine Zuflucht nehmen wollte. So ist z. B. in dem Mährchen: »Der Gertrudsvogel« der Ausdruck Levse auf deutsch bloß durch Brod wiedergegeben, obgleich das nordische Levse sonst eine Art weiches mit einem runden Holze flach gerolltes Gebäck bezeichnet. — Die sehr oft vorkommende Redensart bei den Trollen: »Her lugter saa christen Mands Been« habe ich durch die in deutschen Mährchen sehr übliche Redensart im Munde der Riesen: »Es riecht hier so nach Menschenfleisch« wiedergegeben; vielleicht wäre es jedoch in diesem Falle richtiger gewesen, dem nordischen Charakter getreu, zu sagen: »Es riecht hier so nach Christenfleisch,« weil eben dadurch der unversöhnliche Haß der Trollen gegen das Christenthum sich ausspricht, obwohl sie überdies auch oft als Menschenfresser erscheinen. Diese Bemerkung drängte sich mir jedoch erst auf, nachdem meine Übersetzung schon gedruckt war, und es bleibt mir daher nur übrig, falls ich hiedurch einen wirklichen Fehler begangen haben sollte, um gütige Nachsicht zu bitten. — Einzelne nordische Ausdrücke, die sich durchaus nicht übersetzen ließen, wenn nicht das nordische Element gänzlich verwischt werden sollte, habe ich unverändert beibehalten und in einer unten beigefügten Note die Erklärung davon gegeben.

Schließlich noch meinen innigsten Dank den in Kopenhagen lebenden Normännern, welche mir über die so häufig in dem Originaltexte vorkommenden norwegischen Provinzialismen die nöthige Aufklärung gegeben haben. Den größten Theil dieser Provinzialismen habe ich durch deutsche Provinzialismen wiederzugeben gesucht, weil eben dadurch das Naive in der Volkserzählung so charakteristisch hervortritt.

F. Bresemann.

Berlin im October. 1846.
Carolin
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alles klar es kann losgehen :D
Carolin
schrm
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Post by schrm »

Ich bewerbe mich als dpl und claime 11+12+30, bitte
cheers
wolfi
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Carolin
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Sehr gut, vielen dank :D
Carolin
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Der link im mw fuer den ersten abschnitt funktioniert noch nicht, ich editiere den erst bevor ich ihn wieder hochlade.
Carolin
Boris
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Was für ein schönes Projekt! Liebe Carolin, ich wollte fragen, ob ich zum "Aufwärmen" die Nummer 6 (Aschenbrödel, der mit dem Trollen um die Wette aß) lesen darf.

liebe Grüße

Boris
Carolin
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Post by Carolin »

Aber sicher, vielen dank boris :D
Carolin
Boris
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Post by Boris »

Liebe Carolin, lieber Schrm,


hier kommt er schon, der 6. Abschnitt:

"Aschenbrödel, der mit dem Trollen um die Wette aß" (erstaunlicherweise ist hier Aschenbrödel ein Mann...) :D

https://librivox.org/uploads/carolin/volksmaehrchen_06_moe_128kb.mp3

6:11

liebe Grüße

Boris
Carolin
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Vielen Dank :D
Carolin
schrm
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Post by schrm »

Boris wrote: October 7th, 2018, 2:30 pm Liebe Carolin, lieber Schrm,


hier kommt er schon, der 6. Abschnitt:

"Aschenbrödel, der mit dem Trollen um die Wette aß" (erstaunlicherweise ist hier Aschenbrödel ein Mann...) :D

https://librivox.org/uploads/carolin/volksmaehrchen_06_moe_128kb.mp3

6:11

liebe Grüße

Boris
hallo,

ich überlegte, diese sammlung selbst als bc zu übernehmen und freue mich über diese seltsamen märchen nun!

abschnitt 6 pl ok!


@ carolin: der status vom projekt ist immer noch abandoned, ich habe zwar zugriff auf das mw, aber es ladet dann eine suche-maske statt das projekt.

lg
cheers
wolfi
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Danke dass du das sagst, der status ist geändert und der richtige link hinzugefügt :thumbs:
Carolin
schrm
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Carolin wrote: October 8th, 2018, 8:29 am Danke dass du das sagst, der status ist geändert und der richtige link hinzugefügt :thumbs:
:thumbs: geht alles!
cheers
wolfi
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schrm
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hallo carolin,

hier mal 2 der eindeutig norwegischen märchen 8-)
abschnitt 11
https://librivox.org/uploads/carolin/volksmaehrchen_11_moe_128kb.mp3
dauer 1:44

abschnitt 12
https://librivox.org/uploads/carolin/volksmaehrchen_12_moe_128kb.mp3
dauer 2:6

ich habe moe "mo" ausgesprochen, ist das im rahmen des akzeptierten?

@all: bitte um ein pl :-)

lg
cheers
wolfi
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